Holz ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit. Wie kann man ihn immer wieder neu denken?
FRITZ KLAURA: Einhergehend mit der Notwendigkeit, synthetisch hergestellte Stoffe durch Naturstoffe zu substituieren, findet gerade im Bereich Holz sehr viel Innovation statt. Holz hat eine enorme Bandbreite. Die Gewinnung von „Holzdiesel“ aus Restholzmassen über medizinische Produkte aus Holzsubstanzen bis hin zu Bauprodukten bilden ein enormes Betätigungsfeld und bieten auch dementsprechende Potenziale. Gerade der Bau greift nun vermehrt auf Holz zurück, und hier werden in rascher Folge neue, sehr leistungsfähige Holzwerkstoffe kreiert, die es ermöglichen, ökologisch, nachhaltig, aber auch sehr wirtschaftlich Bauwerke zu errichten. So kann man durchaus sagen, dass Holz tagtäglich neu gedacht wird.
Welche technischen Fortschritte hat
es im Holzbau in den vergangenen
10 bis 20 Jahren gegeben?
Einige Holzwerkstoffe haben das Bauen mit Holz erleichtert und auch wirtschaftlicher gemacht. Ob es nun OSB-Platten (Oriented Strand Board), KVH (KonstruktionsVollHolz), BSH (BrettSchichtHolz) oder BSP (BrettSperrHolz) sind, um hier nur die wichtigsten zu nennen. Gerade die Holzmassivbauweise mit BSP ermöglicht es, größere Wandlasten abzuleiten, Tragwerke durch Scheibenwirkung besser auszusteifen und obendrein den Brandverhütern noch die Sicherheit zu geben, dass im Brandfall große Tragwerksreserven vorhanden sind. Schließlich ist Holz der einzige belastbare Baustoff, der für den Brandfall berechenbar ist. Auch die Befestigungsmittel wurden weiterentwickelt, und für den Statiker ergibt sich hier ein großes Einsatzgebiet.
Wie spielt da die Ausbildung hinein?
In der Ausbildung hat sich auch einiges getan. So hat man an den Universitäten in Wien, Linz, Innsbruck und Graz Lehrstühle eingerichtet, die sich intensiv mit dem Baustoff Holz auseinandersetzen. Auch die Fachhochschule in Kuchl ist hier zu nennen. In Spittal an der Drau werden an der Fachhochschule Baufachleute ausgebildet, und auch hier erkennt man die Notwendigkeit der Zuwendung zum Holz.
Welchen Einfluss hatte die
Computertechnologie?
Die Holzbaubetriebe haben seit der Einführung des PCs eine gewaltige Umstrukturierung mitgemacht. Schon in den 1990er-Jahren wurden Computerprogramme entwickelt, die eine exakte Arbeitsvorbereitung ermöglichten. Konkret heißt das, dass virtuelle Modelle von Bauwerken erstellt werden, um mit diesen Daten computerunterstützte Maschinen zu füttern, die einen sehr exakten Zuschnitt der Bauteile und somit auch eine Vorfabrikation in den Hallen der Betriebe unter optimalen Bedingungen ermöglicht. Die Verbindung von Soft- und Hardware im Holzbaubetrieb ermöglicht aber auch eine Ausführung von zuvor als unmöglich gehaltenen Freiformen, womit der Architektur wiederum ein breites Betätigungsfeld mit Holz eröffnet wurde.
Welche waren die wichtigsten
Entwicklungen?
Die wichtigsten Entwicklungen waren wohl die Einführung der Holzbau-Software, also der Möglichkeit, Bauwerke im virtuellen Modell zu planen und von Maschinen auszuführen, wie auch die Entwicklung von Brettsperrholz.
Wie wichtig bleibt handwerkliches Können angesichts von Digitalisierung und computergestützter Arbeits-
schritte?
Das Handwerk ist die Basis im Umgang mit dem Material Holz. Schon das Wort „Handwerk“ birgt es in sich, Holz sprichwörtlich zu begreifen. Erst wenn man Holz händisch bearbeitet hat, kann man dieses Naturmaterial verstehen. So muss ein Computerspezialist, der ein Programm für die Ansteuerung von Maschinen schreibt, im dem z. B. die Drehrichtung und Rotationsgeschwindigkeit eines Fräskopfs die Bearbeitung des Holzwerkstücks beeinflussen, über die Materialeigenschaften Bescheid wissen, um nicht Absplitterungen oder Ausrisse zu produzieren.
Wie hat sich der Anteil des Holzbaus in den vergangenen Jahren entwickelt?
Am Sektor der Ein- und Zweifamilienhäuser konnte Holz auf Grund der Vorfertigungen und der Hinwendung zum fertigen Haus (oftmals fälschlicherweise als Fertighaus betitelt) Markteinteile von bis zu 30 Prozent erreichen. Am Sektor der mehrgeschoßigen Holzbauten hat sich weltweit auch einiges getan. Ich nenne da als Beispiele das 84,5 Meter hohe Gebäude Mjøstårnet in Norwegen oder das HoHo in Wien mit 24 Geschoßen. Im Bereich der Windenergie konnte in Hannover ein 102 Meter hoher Turm für ein Windkraftwerk errichtet werden. Schwedische Windenergieerzeuger sind derzeit in Ausarbeitung von 145 Meter hohen Windkraftanlagen mit Holztürmen. In Japan will man in den nächsten Jahren ein 300 Meter (!) hohes Gebäude in Holz errichten.
Wo gibt es das größte Potenzial
für den Holzbau?
Der Wohnbau ist sicher das größte Betätigungsfeld für den Holzbau. Doch hier wird es in Zukunft nicht darum gehen, viele Gebäude auf der „grünen Wiese“ zu errichten, sondern vor allem im städtischen Bereich Nachverdichtungen in Form von Aufstockungen und Zubauten vorzunehmen. So können riesige Dachflächen von Supermärkten mit den leichten und gleichzeitig sehr leistungsfähigen Holztragwerken für Wohnbauten, Schulen, Kindergärten usw. genutzt werden.
Was sind heute die größten Vorurteile gegenüber dem Holzbau?
Dass Holzbauten teuer wären.
Wie kann man sie entkräften?
Wir wissen, dass Holzbauten nicht teurer als andere Bauten sind, doch einen enormen Mehrwert gegenüber anderen Systemen haben. Hier müssen die öffentlichen Auftraggeber eine Vorbildfunktion einnehmen. Holzbauten sind ein MUSS, wenn es darum geht, den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 einzudämmen. Schließlich haben wir Holz in Hülle und Fülle vor unserer Haustüre, die ländlichen Räume werden durch die Holznutzung gestärkt und heimische Arbeitsplätze gesichert.
Ihre Vision?
Holz und Holzbau müssen die Normalität sein. Der Einklang mit der Natur ist wichtig. Schließlich braucht die Natur uns nicht, doch wir brauchen die Natur, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Die Verwendung von Holz hilft uns dabei.
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